Als “Reisender mit der Kamera“ hat Telemach Wiesinger sich mit seinen Photographien und im zeitgenössischen Avantgardefilm einen Namen gemacht. Sein sechstes auf 16-mm Schwarzweißfilm gedrehtes Filmpoem ist zugleich ein Langfilmdebut. Von seiner Heimatstadt Freiburg aus besuchte der Photograph und Filmemacher deren neun Partnerstädte und zeichnete prägende Eindrücke von Besançon (Frankreich), Granada (Spanien), Guildford (England), Innsbruck (Austria), Isfahan (Iran), Lwiw (Ukraine), Madison (USA), Matsuyama (Japan) und Padua (Italien) auf. Die dokumentarischen Aufzeichnungen sind jedoch nur das Ausgangsmaterial der künstlerischen Arbeit. Jedes der rund 100000 Einzelbilder des Rohfilmpositivs reproduzierte Wiesinger am Tricktisch und schuf durch Veränderungen der Bildfrequenz, Rückläufe und Mehrfachbelichtungen eine filmische Collage. Die so gestalteten Bildsequenzen etwa von Seil- und Straßenbahnen, Wasserläufen oder spezifischer Straßenzüge stellen einen Bezug zwischen den verschwisterten Städten her und zeigen zugleich deren ganz eigenen Charakter. Bilder des Schwarzwaldes eröffnen faszinierende Sichten. Technisch wie ästhetisch zeigt Wiesingers Schaffen einen star­ken Bezug zur Vergangenheit. Die künstlerische Aussage ist indes zeitlos. Was als “retro“ abgetan werden könnte, wirkt tragend: Grobkörniges Schwarzweiß liegt für unsere heutigen, von HD-Illusionen hochgezüchteten Sehgewohnheiten fern aller Realitätsabbildung. Es macht bewusst, wie alle Gegenwart (sogar aus 2013) unaufhaltsam Vergangenheit wird, alle Auf­zeichnung niemals Realität sein kann. Es ist eine Kinowelt, die sich der leichten Konsumierbarkeit verweigert, die die Produkte der Unterhaltungsindustrie so oft zum “Opium für das Volk“ macht. Das Filmpoem “10“ ist eine in zwei Werkphasen entstandene Kooperation mit dem Freiburger Professor für Filmmusik, Cornelius Schwehr. Der 2011 nach musikalischem Aufbau geschnittene und in Liveaufnahme des Freiburger Ensembles SurPlus vertonte Kernteil “1 plus 9“ fand in der visuell gegliederten und mit Geräuschmontagen unterlegten szenischen Klammer 2013 seine Vollendung zu “10“. Telemach Wiesinger und Cornelius Schwehr laden in diesem Filmkunstwerk zu reflektierender Wahrnehmung ein – auch der erstaunlichen Wechselwirkung zwischen Bild und Ton. “Man sieht etwas anderes, wenn man hört und man hört etwas anderes, wenn man sieht”, sagte einmal der für seine audio-visuelle Forschung bekannte Michel Chion. Beim Hören-Sehen von “10“ lässt sich darüber trefflich nachdenken pr-Text.

Archivnummer MFG000997
weitere Titel:
Untertitel: Twin Town Odyssey
Filmschaffende
Telemach Wiesinger (Autor/in)
Telemach Wiesinger (Regisseur/in)
Telemach Wiesinger (Kamera)
Telemach Wiesinger (Cutter/in)
Cornelius Schwehr (Ton)
Telemach Wiesinger [Lichtbild Wiesinger] (Produzent/in)
Datierung 28.06.2013
Länge 65'00"
Formate
Digital Video Disc Farbig
Farbe Farbig
Ton
Kategorien Überregionales, GESELLSCHAFT UND SOZIALES, Gesellschaft und Soziales > Stadt
Schlagwörter
Eintragdatum: 12.11.2013
Änderungsdatum: 26.10.2017