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Der Opportunist oder Vom Umgang mit Besatzern
Wir leben in einer Zeit des Richtens und Verurteilens. Zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahrhunderts urteilen wir über eine Zeit, in der Mächtige Unrecht taten und sich hierbei zahlreicher Helfershelfer bedienten. Halten diejenigen Gerichtstag, die stets um der Moral willen dem Unrecht widerstanden haben oder hätten? Oder sind die Verurteilten nur deshalb schuldig, weil sie zwischen hohen ethischen Anforderungen und den eigenen berechtigten Bedürfnissen entscheiden mußten?Ein Paradebeispiel dieses Grundkonfliktes bietet Pierre Laval. Im Herbst 1945 wird diesem prominenten französischen Politiker der Prozeß gemacht. Zuletzt Ministerpräsident des von den Deutschen besiegten und besetzten Frankreichs ist er angeklagt, die parlamentarische Staatsform hochverräterisch beseitigt und zum Nachteil des Landes mit dem Feinde zusammengearbeitet zu haben. Laval gibt sich gelassen. / Bisher hat er noch immer erreicht, was er gewollt hat. Wird er nicht den Richtern zeigen, daß allein sein Verhalten Frankreich viel Leid erspart hat? Jawohl, er hat mit den Deutschen kollaboriert, aber für sein Land würde nötigenfalls mit dem Teufel kollaborieren, - und an seine Verhandlungsergebnisse können sich sehen lassen, wenn man sie nicht an Wunschvorstellungen, sondern an den realen Möglichkeiten unter einer unbarmherzigen Besatzungsmacht mißt. Die meisten Wärter kann er für sich gewinnen. Er kann überzeugend reden, als Advokat hat er es schon unter Beweis gestellt. Warum sollte man also diesen Mann, der auch seinen persönlichen Vorteil sehr genau verfogt haben soll, nicht glauben, den Vorteil des eigenen Landes mit allen Mitteln angestrebt zu haben? Aber lassen sich alle Mittel rechtfertigen, oder gibt es nicht doch einen Preis, der niemals gezahlt werden darf? Der Häftling wird dies kaum verstehn. Er sieht Politik nicht anders als der Bauer seinen Viehverkauf. Er wird stets auf das Erreichte verweisen: auf die Tausende, die er retten konnte, indem er andere Tausende opferte. Er wird herausfinden, warum er Juden, auch Kinder, deportieren ließ und was er dafür erhalten hat. Ihm wird noch sehr viel einfallen zu seiner Entschuldigung, nur wird er nicht erkennen, daß es eine Situation gibt, "wo man sich wehren muß. Oder, wenn man sich nicht wehren kann, dulden muß. Wo man nur eines nicht darf:mitmachen." Ein Anwalt Lavals hat bedauert, daß es die Umstände nicht ermöglichten, seinem Mandanten einen fairen Prozeß zu machen und die Schuldfrage deutlich zu klären. / Politische Leidenschaft machte das Verfahren zur Farce; der Tod des Angeklagten war schon besiegelt, bevor der Schuldspruch erging. Der Opportunismus von Juristen und Politikern ließ dem Mann keine Hoffnung, der sich selbst als Opportunist bekannt. Den sich Vergiftenden entreißt man mühsam dem Tod, um ihn anschließend zur Hinrichtung zu führen (pr-text).
| Archivnummer | HDF000241 |
|---|---|
| weitere Titel: | Untertitel: Der Fall Pierre Laval
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| Filmschaffende | Theodor Schübel (Autor/in) Karl Fruchtmann (Regisseur/in) Lothar Stickelbrucks (Kamera) Ingrid Wacker (Cutter/in) Neubauer, Franz (Redaktion) Stern tv (Produktionsleiter/in) Arno Assmann (Schauspieler/in) Gisela Trowe (Schauspieler/in) Volkert Kraeft (Schauspieler/in) Walter Kohut (Schauspieler/in) Ulrich Matschoss (Schauspieler/in) |
| Datierung | 17.09.1976 |
| Länge | 90'00" |
| Formate | Super VHS Farbig |
| Farbe | Farbig |
| Ton | |
| Kategorien | POLITIK UND MILITÄR |
| Schlagwörter | |
| Eintragdatum: | 29.03.1993 |
| Änderungsdatum: | 18.04.1996 |