Stuttgart 1945

Kriegsende im Südwesten mit dem besonderen Blick auf die Stadt Stutgart.

Der Wettlauf zwischen Amerikanern und Franzosen nach Stuttgart im Frühjahr 1945 sowie der politische Streit um den französischen Einfluss in Deutschland und eine französische Besatzung stehen im Mittelpunkt des dokumentarischen Berichtes, der mit Rückblende auf die NS- Zeit den Ursprung des Urteils deutlich macht. / Sicher — für viele Deutsche und Nichtdeutsche war das Kriegsende ein Tag der Befreiung. Endlich fanden die „Monate des Aufhängens und Totschießens“, wie es der Aalener Bürgermeister treffend schilderte, ein Ende. Es war notwendig und richtig, dass Bundespräsident Richard von Weizsäcker dies in historischer Würdigung am 8. Mai 1985 ausgesprochen hat. Doch neben der Befreiung steht die Tatsache, dass „Deutschland tot am Boden lag“, wie Reinhold Maier es formulierte. Häufig wird zu gern vergessen, dass dieser „Tod“ Deutschlands jedoch nicht dem Schuldkonto der Alliierten zugeschrieben werden muss, sondern den menschenverachtenden NS-Verbrechern, denen zu viele zu lange zu willig gefolgt sind. / Das Kriegsende brachte ja nicht nur das Schweigen der Waffen, sondern auch das Ende bürgerkriegsähnlicher Zustände im Innern. Wer aus der Wehrmacht „desertierte“, Befehle nicht befolgte, besonders den Aufrufen zum Widerstand bis zum Letzten nicht folgen wollte, wer die weiße Fahne zeigte — und überhaupt, wer im grauenhaften Szenario des gewaltsamen Untergangs abwich von den irrsinnigen Leitlinien des „heroischen Abwehrkampfes“, setzte sein Leben aufs Spiel. Das Kriegsende spiegelte auch die tiefe Spaltung des deutschen Volkes wider, zwischen verblendeten „Endsiegern“ und vernunftbegabten Menschen, die wussten, dass das Ende kam und die versuchten, in ihrem kleinen Wirkungskreis Zerstörungen und Menschenopfer zu verhindern. Die SS-Generäle und ihre Schergen, welche die Hinrichtung der letzteren Personengruppe anordneten, gingen in ihrer Mehrzahl später „aus Mangel an Beweisen“ straffrei aus. Das Grauen von Brettheim, wo am 10. April 1945 drei Einwohner — darunter der Bürgermeister — auf Befehl des SS-Generals Simon aufgehängt wurden, weil sie ihren Ort den Amerikanern kampflos übergeben wollten, und seine Folgen waren leider kein Einzelfall. / Die früheren, 1919 gebildeten freien Volksstaaten Baden und Württemberg, von den Nationalsozialisten zu „Parteigauen“ erklärt und ihres Länderstatus´ beraubt, waren Ende April 1945 von amerikanischen und französischen Truppen besetzt. Die Franzosen hatten verabredungswidrig die einstigen Landeshauptstädte Karlsruhe und Stuttgart besetzt und unverzüglich begonnen, deutsche Verwaltungs-Kopfstellen zu bilden. Die Amerikaner, organisatorisch erheblich besser vorbereitet als die „verspätete Besatzungsmacht“ Frankreich, sperrten den Franzosen den Nachschub und drängten sie in der ersten Juliwoche des Jahres 1945 aus Karlsruhe und Stuttgart heraus in den Südteil der beiden Länder ab. Nachdem sich der Alliierte Kontrollrat in Berlin als oberstes Verwaltungsorgan der vier Siegermächte USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich im Juni konstituiert hatte und Deutschland als Kondominium beherrschte, teilten Amerikaner und Franzosen den deutschen Südwesten im Sommer 1945 im Querschnitt auf. Dieser orientierte sich am Verlauf der Autobahn von Mannheim über Karlsruhe, Pforzheim und Stuttgart über Ulm nach München. Die nördlich dieser Demarkationslinie gelegenen Landkreise fielen der amerikanischen Zone zu, die südlich gelegenen Landkreise wurden Bestandteil der französischen Zone. / Von deutscher Seite wurde wie in Baden, so auch in Württemberg der Versuch unternommen, wenigstens die Verwaltungseinheit der alten Länder Baden und Württemberg aufrecht zu erhalten. Doch angesichts des amerikanisch-französischen Antagonismus scheiterte dieser Versuch bereits im Herbst 1945. Der unter dem Druck der Besatzungsverhältnisse von Karlsruhe nach Freiburg im Breisgau ausgewichene, bereits Ende Mai/Anfang Juni 1945 von den Franzosen eingesetzte „Rat der Ministerialdirektoren“ war spätestens ab November 1945 nur noch für das französisch besetzte Südbaden zuständig. Am 19. September 1945 erklärte Dwight D. Eisenhower, der Oberkommandierende der alliierten Streitkräfte, per Proklamation die Bildung des Landes Württemberg-Baden, das sich aus den nördlichen Landkreisen Badens und Württembergs zusammensetzte. Als provisorischer Regierungschef amtierte der liberale Politiker Dr. Reinhold Maier, der bis 1933 württembergischer Wirtschaftsminister gewesen war. Er bildete ein Allparteien-Kabinett, der Regierungssitz war Stuttgart. Das Gouvernement Militaire in Tübingen reagierte prompt und erhob die bisherigen Landesdelegierten in Südwürttemberg zu Landesdirektoren. Am 16. Oktober wurde mit der Bildung des „Staatssekretariats für das französisch besetzte Gebiet Württembergs und Hohenzollerns“ unter Leitung des Vorsitzenden Dr. Carlo Schmid auch im südlichen Nachbarland eine Regierung eingesetzt. / Der Wiederaufbau im Südwesten, zusätzlich erschwert durch die Zonentrennung, vollzog sich in einem besetzten, schwer geschlagenen Territorium. Die Errichtung einer stabilen Demokratie war an die Lösung zahlreicher mit dem Krieg zusammenhängender Einzelprobleme gekoppelt, von denen die Ernährungslage, die Flüchtlingsfrage und die Entnazifizierung besondere Beachtung verdienen. / In Südbaden verzichtete man auf das Institut der Landrätetagungen, die es in den beiden Nachbarländern gab. Deren Regierungen nutzten die Treffen mit den Landräten als Schaltstelle ihrer Verwaltungsarbeit. In Württemberg-Baden erwuchs aus den bereits ab Juni 1945 abgehaltenen Landrätetagungen der Neubeginn des Parlamentarismus. Die am 16. Januar 1946 zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetretene „Vorläufige Volksvertretung für Württemberg-Baden“ war — wenn auch nicht gewählt, sondern nach dem ständischen Prinzip ernannt — das erste [Vor-]Parlament nach Kriegsende auf deutschem Boden. //

Archivnummer LFS005384
weitere Titel:
Untertitel: Das Kriegsende im deutschen Südwesten
Vorlagentitel: Stuttgart 1945
Provenienz: Landesmedienzentrum BW - Stuttgart
Filmschaffende
Kurt Stenzel (Redaktion (Person))
Jochen Bauer (Autorschaft)
John Lionel Bandmann (Schnitt)
Chronos Film (Produktion (Institution))
Datierung 28.09.1971
Länge 45'00"
Formate
Normal-Positiv-Film 16mm Schwarz/weiß 4:3
Normal-Positiv-Film 16mm Schwarz/weiß 4:3
Normal-Positiv-Film 16mm Schwarz/weiß 4:3
Farbe Schwarz/weiß
Ton
Kategorien Regionales, Gesellschaft und Soziales, Politik, Dokumentarfilm
Schlagwörter
Eintragdatum: 29.09.2010
Änderungsdatum: 09.01.2025