Mummenschanz

Fasnet in Elzach und Carnevale auf Sardinien: Knurren, Fackeln, Saublasenknallen – Bärengebrüll im Dunkel der Stadt. Fratzen, Tierlarven, im Fackelschein, Gestalten im roten Gewand um das Feuer tanzend, lärmend – das archaische Brauchtum eines fernen Indiostammes? Irrtum, die Reise geht ins eigene Land. Wie erklärt man einem Berliner den tieferen Sinn der Fastnacht, „Fasnet“ im Schwarzwald? Was der eine leidenschaftlich die „fünfte Jahreszeit“ nennt, ist für den anderen genauso fremd wie etwa die Bräuche des afrikanischen Schamanismus oder die japanische Maske im Nó-Theater. Da braucht es keinen „globalen Kulturbegriff“, um die eigene Welt nicht mehr zu verstehen. Wir lassen uns vom unsichtbaren Netz gemeinsamer Sehnsüchte einfangen, das sich über Europa bis Sardinien spinnt. Ohne Ausnahme, Jung und Alt trägt begeistert Maske und folgt begeistert dem traditionellen Kult. Wir begleiten einige von ihnen aus Elzach und Mamoiada bis hinter das offizielle Medien-Spektakel, immer auf der Spur und dem was sie Archaisches umtreibt, was uns allen offenbar im aufgeklärten Smartphonezeitalter fehlt? Gleichzeitig, 1500 km weiter südlich, im sardischen Mamoiada, findet man ebenfalls mündlich überliefertes, 1000 Jahre altes Brauchtum, das der Mamuthones“, der mit seinen furchtbaren schwarzen Maske und 20 Kilo Schafsglocken auf dem Rücken in lautem Rhythmus das Böse wegspringt: „Carnevale“. Er soll dem Frühling Fruchtbarkeit bringen mit seiner animalischen Kraft. Ist der Fastnachtsbrauch ein längst vergangener Ritus, nur noch inszenierte Folklore? Was genau bedeuten diese Rituale, woher kommen sie, wie haben sie sich im Laufe der Jahrhunderte verändert, und was hält sie heute „im Innersten zusammen“ in der globalen Welt, in der wir regional verwurzelt bleiben, aber interkulturell funktionieren sollen? Die archaische Sehnsucht nach unergründlichem Begehren scheint in der weltoffenen Unisexgesellschaft Sinnlichkeit zu vermissen. Einmal im Jahr ist der Terminkalender bei allen im Ort gleich. Es gilt eine andere, viel ältere Zeit. So, wie die Einheimischen es beschreiben, legt nahe: Man muss es mit eigenen Augen sehen... man ist damit aufgewachsen und stellt keine Fragen, woher kommt der Brauch, was bedeuten z.B. die Schneckenhüsli auf dem Hut, welche Rolle soll ich spielen? Es bedarf keiner besonderen Verabredung, alle wissen, wie es geht, es ist wie ein Sog.“Die Protagonisten, eine junge Musikerin, ein ehemaliger Zunftmeister, ein Maskenschnitzer und andere übermütige Narren führen uns hinter die Kulissen und zeigen uns ihr wahres Gesicht. Der filmische Blick ist subjektiv, aber beobachtet: Das Fremde im verkleideten Ich, die animalischen Triebe und die Lust, den Geistern Gestalt zu geben, um sich gleichzeitig vor ihnen zu fürchten. Der „Schuttig“ ist einer der ältesten Narrenfiguren in der Schwarzwälder Fastnacht genauso wie der „Mamuthones“ in Sardinen, weshalb wir sie stellvertretend aus der Vielzahl der Narrenwesen für diesen Film gewählt habe. Die beiden Figuren überleben bis heute – doch das jeweilige Mikro-Biotop ist gefährdet, man freut sich über den wachsenden Tourismus und gleichzeitig muss man sich schützen pr-Text.

Archivnummer MFG001157
weitere Titel:
Untertitel: Fasnet in Elzach und Carnevale auf Sardinien
Archivarischer Titel: Mummenschanz
Filmschaffende
Jutta Tränkle (Regisseur/in)
Jutta Tränkle (Autor/in)
Jutta Tränkle (Kamera)
Inka Palombi (Cutter/in)
Nicoletta Aramu (Ton)
Fridolin Dorwarth (Ton)
Datierung 2016
Länge 72'00"
Formate
Blu-ray Disc Farbig 16:9 Vollformat
Farbe Farbig
Ton Sendeton
Kategorien Lokales, GESELLSCHAFT UND SOZIALES, KULTUR, Kultur > Brauchtum
Schlagwörter
Eintragdatum: 27.06.2016
Änderungsdatum: 26.10.2017