DOK Archive Market 2023: „Reimagining Archives“

Am 12. Oktober 2023 fand im Rahmen von DOK Leipzig zum zweiten Mal der DOK Archive Market statt. Gemeinsam mit 23 anderen Filmarchiven hat die Landesfilmsammlung Baden-Württemberg vor Ort ihre Bestände präsentiert. Darüber hinaus waren wir beim Panel „Reimagining Archives“ auf dem Podium vertreten.
Anna Leippe, Daniel Artur Schindler und Dr. Adelheid Heftberger im Gespräch mit Monika Preischl. Foto: Christine Schäfer.

Reges Interesse an der Arbeit mit Archivmaterial

Der diesjährige DOK Archive Market fand am 12. Oktober im Museum der bildenden Künste Leipzig statt. Im Untergeschoss des als Festivalzentrum fungierenden Gebäudes haben 24 internationale Archive unterschiedlicher Größe und Ausrichtung ihre Bestände präsentiert. Die Landesfilmsammlung Baden-Württemberg (LFS) war ebenfalls vertreten. Zahlreiche akkreditierte Besucher:innen konnten sich an unserem Stand ausführlich über Filmbestände zum Zweiten Weltkrieg, das Landleben im Südwesten oder die frühesten Aufnahmen deutscher Großstädte informieren.

Darüber hinaus haben unsere Archivarin Anna Leippe und unser Kurator Daniel Artur Schindler die LFS beim Panel „Reimagining Archives“ vertreten. Unter der Moderation von Monika Preischl diskutierten sie gemeinsam mit Dr. Adelheid Heftberger vom Filmarchiv des Bundesarchivs über aktuelle Entwicklungen in öffentlichen Archiven. Thematisch drehte sich alles um den Zugang zu archivierten Filmen, Fragen des Lizenzrechts und Quellenangaben.

Herausforderungen beim Streaming von Archivmaterial

Zuerst fragte das Panel nach der Zugänglichmachung der archivierten Filmbestände. Heutzutage scheint es überaus einfach, Filme zu sehen – sei es auf YouTube, in den Mediatheken oder bei diversen Streaminganbietern. Doch die in öffentlichen Archiven hinterlegten Filmbestände lassen sich nicht so unkompliziert sichten Sowohl das Bundesarchiv als auch die LFS arbeiten daran, das für ihre Institutionen zu ändern. Der digitale Lesesaal des Bundesarchivs geht im Jahr 2024 online und gewährt Zugriff auf verschiedene Archivalien, darunter Filme. Die LFS arbeitet gemeinsam mit der Universität Tübingen und dem Landesarchiv an einem Streaming-Portal, das aktuell in einem Beta Status verfügbar ist.
Dass es für Archive nicht so ohne weiteres möglich ist, ihre Filmbestände online zu stellen, hat zwei Gründe. Zum einen sind die Anforderungen an die Datensicherheit und Langzeitspeicherung sehr hoch, so dass stets Lösungen mit eigener Serverarchitektur entwickelt werden müssen. Ein kostenintensives Unterfangen, dass in der Regel nicht durch die Jahresbudgets gedeckt ist und externer Förderung bedarf.

Zum anderen sind zahlreiche der archivierten Filme nicht unproblematisch. So könnten Aufnahmen aus der Zeit des Nationalsozialismus als Glorifizierung missverstanden oder missbraucht werden. Währenddessen zeigen Amateurfilme oft intime Szenen des Familienlebens, die für eine breite Öffentlichkeit nicht gedacht sind. Deswegen hat sich die Landesfilmsammlung dazu entschieden, in ihrem Blog ausgewählte Filme so zu präsentieren, dass auch der Entstehungszusammenhang erläutert werden kann.

Reimagining Archives: Rechtssicherheit und Lizenzierung

Das zweite Thema, das auf dem Panel diskutiert worden ist, war die Frage der Lizenzierung von Archivmaterial. Dabei haben das Bundesarchiv und die LFS unterschiedliche Strategien entwickelt. Im Filmarchiv des Bundesarchivs können Klammerteile für eine geringe Gebühr bestellt werden. Die Frage der Verwertungsrechte allerdings muss vom Lizenznehmer selbst mit den ursprünglichen Rechteinhabern geklärt werden. Die Landesfilmsammlung ihrerseits schließt mit jeder Person oder Institution, die Filmmaterial abgibt, einen Übernahmevertrag. Dieser Vertrag beinhaltet stets explizit die nichtexklusive Überschreibung der Verwertungsrechte. So kann die LFS bei der Nutzung von Archivmaterial eine Rechtssicherheit garantieren und komfortables „one-stop licencing“ anbieten. Eine Dienstleistung, die Dokumentarfilmer:innen und Redaktionen zu schätzen wissen.

Eindeutige Benennung erleichtert die Arbeit

Der letzte Punkt auf der Tagesordnung – und auch das Thema, das im Publikum am angeregtesten diskutiert worden ist – war die Frage der Quellenangabe von Archivmaterial. Dabei ging es sowohl um Schnittlisten als auch die Credits von Dokumentationen. In Schnittlisten sollte nicht nur das Archiv angegeben werden, aus dem die jeweilige Einstellung kommt. Denn falls dieser Ausschnitt von einer anderen Produktion erneut angefragt wird, ist es schwer herauszufinden, welcher Film tatsächlich verwendet worden ist. Schnittlisten sollten deswegen stets auch einen konkreten Verweis auf den verwendeten Film (seien es der Titel oder die Archivnummer) enthalten. So kann viel schneller das gewünschte Material geliefert werden. Das gilt insbesondere für aufwändige Produktionen und große Archive, wie das Bundesarchiv.

Aber auch die Nennung im Abspann einer Produktion ist für Archive wichtig. Die Archivarbeit spielt sich naturgemäß eher im Hintergrund ab und es gibt selten Gelegenheit, für eine breite Öffentlichkeit in Erscheinung zu treten. Ausführlichen Credits, die alle Quellen erwähnen, stehen jedoch häufig die Sehgewohnheiten der meisten Zuschauer:innen entgegen. Bei Streamingdienstleistern ist es üblich, dass der Abspann übersprungen werden kann und auch Fernsehsender verkürzen ihn auf einige wenige rudimentäre Angaben – falls sie ihn überhaupt zeigen. Eine mögliche Lösung dieses Dilemmas, die während der Diskussion aufkam, sind Websites mit detaillierten Quellenangaben, die über einen QR-Code oder ähnliches aufgerufen werden können. Die angeregte Diskussion und der hohe Besucherandrang haben gezeigt, dass die Archivarbeit viel Entwicklungspotential birgt und dass sich der DOK Archive Market schon im zweiten Jahr als Veranstaltung etabliert hat.