Monika Preischl über die Arbeit als Archive Researcher

Die Berufsbezeichnungen Archive Researcher oder Archive Producer findet man im Abspann deutscher Fernsehdokumentationen kaum. Dabei ist Archivmaterial oft ein essenzieller Bestandteil von TV-Produktionen. Die dafür notwendige Expertise wird jedoch häufig unterschätzt.

Für Spezialisierung ist Erfahrung gefragt

Monika Preischl gehört in Deutschland zu den besten ihres Fachs. „Man wird nicht von heute auf morgen Archive Researcher. Studiert habe ich Experimentellen Film als Meisterschülerin bei Heinz Emigholz an der Universität der Künste in Berlin“, erzählt sie. „Dann war ich bei zero one film lange als Schnittassistentin tätig. Mit dem Thema Archiv kam ich über unsere historischen Dokus und Serien in Berührung. Ich habe bei meiner Editorin Renate Merck sehr viel über Bildsprache gelernt und dabei festgestellt, wie viel Energie, Liebe und Leben in Archivmaterial stecken kann. Darüber habe ich Feuer gefangen.“

Lange hat sie verschiedene Funktionen ausgeübt, heute ist Monika Preischl in Vollzeit als „Bildfinderin“ unterwegs. Für mehr als 30 dokumentarische und fiktionale Filmproduktionen weltweit hat sie Material beschafft, Abklammerung, Digitalisierung und Datentransfer organisiert, gleichzeitig Rechte recherchiert und Lizenzen verhandelt.

Leuchtturmprojekt „Beuys“ mit Andres Veiel

Allein drei Jahre arbeitete sie mit dem Regisseur Andres Veiel an seinem Kino-Dokumentarfilm „Beuys“. Veiels preisgekröntes Beuys-Epos besteht fast nur aus Archivmaterial und ist ein Destillat aus vielen hundert Stunden Bewegtbild und zehntausenden Fotos.

Dass in einem solchen Projekt der Archive Researcher nicht bloß Zulieferer ist, sondern zusammen mit dem Regisseur und dem Editor auf Augenhöhe kommuniziert, liegt auf der Hand. „Das war eine sehr intensive Erfahrung, ein Herzensprojekt“, sagt Monika Preischl. „Es ist immer wichtig, dass man frühzeitig mit ins Boot geholt wird. Der Ehrgeiz besteht darin, Material zu finden, das eben nicht im Internet schon zigmal geteilt worden ist. Man möchte neues Material erschließen.“

„Kulenkampffs Schuhe“: deutsche Nachkriegsgeschichte neu erzählt

Für die Kinoproduktion „Kulenkampffs Schuhe“ von Regina Schilling wurde Monika Preischl 2019 in London mit dem International Focal Award ausgezeichnet. Der Dokumentarfilm besteht wie „Beuys“ ausschließlich aus Archivmaterial – von privatem Super8-Material, Ausschnitten aus alten Unterhaltungsshows, Interviews und anderen Fernsehprogrammen über Fotos bis hin zu unterschiedlichsten anderen Dokumenten. „Kulenkampffs Schuhe“ erzielte in der ARD eine Traumquote, bekam den Grimme-Preis und den Deutschen Fernsehpreis.

Man denkt oft, man habe alles schon gesehen, Zweiter Weltkrieg zum Beispiel, rauf und runter. Und doch taucht immer wieder etwas auf, einfach weil es neue Fragestellungen gibt und immer wieder einen anderen Blick. Archivmaterial ist nie abschließend erschlossen und muss, ganz wichtig, für die jüngere Generation immer wieder neu erschlossen werden.

Eine enge Zusammenarbeit mit Archiven ist essenziell

Wer historisches Bewegtbild recherchiert, wird häufig schon im Netz über YouTube fündig oder entdeckt das Gesuchte in irgendeinem gesendeten Fernsehprogramm, allerdings in schlechter Qualität. Professionelle Archive Researcher wie Monika Preischl dagegen sorgen dafür, dass das Archiv ausfindig gemacht wird, in dem auch die Rechte liegen. Sie können veranlassen, dass dort die Original-Filmrolle wieder auf den Schneidetisch kommt, damit die fragliche Sequenz geklammert und erneut abgetastet wird.

„Das kann dann qualitativ komplett anders aussehen. Heute macht man Abtastungen, da sehen historische Aufnahmen aus, als wären sie in 4K gedreht. Die Kameraleute der Deutschen Wochenschau waren nun mal hervorragende, oft exzellente Facharbeiter“, sagt Monika Preischl, „deshalb kann man mit dem Material immer wieder arbeiten.“

Amateurfilme werden als Quelle immer wichtiger

Wochenschauen lagern im Bundesarchiv. „Das ist auch richtig so, denn Wochenschauen sind als Propagandafilm im Kontext einer Diktatur entstanden und sollten nicht kommerzieller Auswertung dienen“, betont Monika Preischl. Neben offiziellen Bildern aus der Zeit des NS-Regimes rücken aber immer häufiger Privatarchive in den Fokus. Als Quelle können sie wertvoll sein, denn der Blick des Privatfilmers ist meist unzensiert. „In den letzten Jahren kommt zunehmend Amateurmaterial ans Licht und kann zugänglich gemacht werden. Die Kameraleute sind gestorben und plötzlich entdecken ihre Enkel auf dem Dachboden oder im Keller alte Filmrollen“, so Monika Preischl. „Es gibt immer Neues, man muss nur mit neugierigem Blick danach suchen.“