Die Landesfilmsammlung, ein Kaleidoskop der Geschichte

Die Landesfilmsammlung archiviert über 12.000 Aufnahmen in verschiedenen Formaten, wie 8mm, 16mm, 35mm und Super8. Neben der Erfassung, Restaurierung und Digitalisierung stellt das Archiv sein Material auch kommerziell für Produktionsfirmen und Fernsehsender zur Verfügung.

Jeder Privatfilm transportiert Zeitgeschichte

Die Privatfilme in der Landesfilmsammlung Baden-Württemberg (LFS) sind mal aufwändig nachbearbeitet, mal ungeschnitten und bestehen manchmal sogar aus losen Einzelsequenzen. Meist zeigen sie das persönliche Umfeld der Filmemacher:innen: Alltagssituationen, familiäre Ereignisse, scheinbar Zufälliges. Und doch sind es gerade solche Funde, die auf unverstellte Weise Zeitgeschichte transportieren. Was sie für die Auswertung wertvoll macht, ist ihr unzensierter Blick. Im Gegensatz zu offiziellen Dokumenten, etwa Wochenschauen, warten in Amateuraufnahmen noch immer Geschichten, die nicht erzählt sind.

Ältester Film der Sammlung zeigt Stuttgarter Schlossplatz

Das älteste Dokument der Landesfilmsammlung ist ein Zwei-Minuten-Film aus dem Jahre 1904. Wir sehen Sonntagsstimmung am Stuttgarter Schlossplatz, ein Treffen schneidiger Studenten, Flaneure in eleganter Kleidung, Menschen, die aus einem Automobil steigen, einen Polizisten mit Pickelhaube – das Ganze in drei Sequenzen, aufgenommen auf 35mm-Nitrofilm.

Nitrofilm fällt heute unter das Sprengstoffgesetz, deshalb mussten wir die Originalfilmrolle ins Bundesfilmarchiv überführen; an unserem Standort lagern wir eine analoge und ebenso eine digitale Kopie. Neben 35mm-Film enthält unsere Sammlung 16mm, 8mm, Super8-Film und sämtliche analogen Formate. Unsere Arbeit besteht im Erfassen, Restaurieren und Digitalisieren des Materials.

Nutzung der historischen Filmaufnahmen

Nutzer:innen der Landesfilmsammlung sind in erster Linie Produktionsfirmen und Fernsehsender. Das Archivmaterial findet Eingang in Geschichtsdokumentationen oder Dokudramen, gelegentlich auch in Spielfilmen. In der Fiktion ist es besonders für Recherchezwecke interessant, etwa in der Kostüm-, Frisuren oder Requisiten-Recherche. Dem Storytelling fiktionaler Stoffe liefert historisches Footage Ideen und authentische Anlässe für Emotionalisierung oder Personalisierung.

Filmische Beschäftigung mit Fragen der Zeitgeschichte

In der Regel wird unser Archiv im Vorfeld historischer Jahrestage zu Rate gezogen, so auch im Jahr 2020 zum Thema „75 Jahre Kriegsende“. In unserer Sammlung befinden sich Aufnahmen von Soldaten der Wehrmacht, die in den Jahren 1939 bis 1945 mit ihrer privaten Kamera individuell erlebte Ereignisse festhielten.

Unabhängig davon beobachten wir, dass das Interesse an Geschichts-Dokus bei den Landesrundfunkanstalten der ARD, beim ZDF und bei Arte generell gewachsen ist. Inzwischen diskutieren die Sender, Dokus und dokumentarische Serien auch ausschließlich für non-lineare Ausspielwege herzustellen. Damit folgen sie einem weltweiten Trend: History-Formate boomen und längst hat auch das Geschäft mit dem Blick des Filmamateurs Konjunktur. Private Filmquellen liefern den Zuschauer:inen Möglichkeiten der Identifikation, können über „private“ Bilder doch Bezüge zum eigenen Leben hergestellt werden.

LFS übernimmt Bestände anderer Archive

Neben Privat- und Amateurfilmen übernimmt die Landefilmsammlung Baden-Württemberg auch Archive von Kommunen, Museen oder Firmen. Die Anzahl der dokumentierten Ereignisse der Stadt- und Landesgeschichte, der Aufnahmen zu traditionellem Handwerk und Brauchtum wächst stetig; allein 40 Stadtarchive haben bis 2020 ihre Filmbestände in der Landesfilmsammlung als Depositum eingelagert.

In zahlreichen Image- und Werbefilmen spiegelt sich die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg. Auf die Vielfalt des Archivs verweist unter anderem eine DVD-Edition, die das Haus des Dokumentarfilms Städte-Porträts aus Baden-Württemberg widmet.

Archivierung und Zugänglichmachung

Die LFS bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen kommerzieller Verwertung und nicht-kommerzieller Nutzung. Hauptanliegen bleibt die dauerhafte Archivierung und das Zugänglichmachen des filmischen Kulturerbes. Einnahmen durch Lizenzgebühren werden zur Refinanzierung der Kosten für die Digitalisierung genutzt.